Wie viel Gerechtigkeit verträgt, wie viel Gerechtigkeit braucht Frieden? Kolumbien wird bald Antworten auf diese Frage finden müssen. Wertvolle Orientierung dabei bietet auch der Erfahrungsschatz anderer Gesellschaften mit transitional justice und der Aufarbeitung ihrer gewaltvollen Vergangenheit Darüber diskutieren:
• Padre DARÍO ECHEVERRI │ Generalsekretär der Nationalen Versöhnungskommission Kolumbiens
(in Deutschland auf Einladung von Adveniat)
• MdB TOM KOENIGS │ Sonderbeauftragter des Bundesministers des Auswärtigen zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien
• NATASCHA ZUPAN │ Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung, FriEnt
• SOLOMON SACCO │ Leiter des Programms gegen Straflosigkeit im Internationalen Sekretariat von Amnesty International
Moderation: Christiane Schwarz (kolko e.V.)
Einführung zu transitional justice-Instrumenten: Natascha Zupan
Um Anmeldung wird gebeten an mail(a)kolko.net (Betreff: „Offene Wunden“) bis Freitag, 27. Mai 2016.
Veranstalter: amnesty international, Caritas Intenational, kolko - Menschenrechte für Kolumbien e.V.
Mit Simultan-Übersetzung Deutsch-Spanisch-Englisch
Es gilt als Durchbruch im Friedensprozess Kolumbiens: Mitte Dezember 2015 beschlossen Regierung und die Guerilla-Gruppe FARC den Rahmen für ein Übergangsjustizsystem, das künftig Menschenrechtsverbrechen aller Konfliktparteien aufarbeiten soll. Das Übereinkommen regelt unter anderem, in welcher Form Rebellen und staatliche Sicherheitskräfte für ihre Verbrechen bestraft werden. In der kolumbianischen Zivilgesellschaft und auch im Ausland stößt die Einigung auf breite Zustimmung. Schließlich galt der juristische Umgang mit Straftaten beider Seiten als eine der größten Hürden der Friedensverhandlungen.
Klarer wird mit der Vereinbarung aber auch: Die Verhandlungsparteien geben sich auf ihrem Weg zu Frieden einigen Spielraum, viele ihrer Menschenrechtsverbrechen und deren Hintergründe niemals von einem Gericht untersuchen zu lassen. Die dafür Verantwortlichen und ihre Hinterleute könnten somit strafrechtlich nicht belangt werden.
Bisher kommen in Kolumbien in über 9 von 10 Fällen Täter*innen selbst bei schwersten Verbrechen straflos davon. Bei geschlechtsspezifischer Gewalt liegt die Quote noch höher. Allgegenwärtig und strukturell verwurzelt trägt Straflosigkeit seit fast 70 Jahren wesentlich dazu bei, dass der bewaffnete Konflikt im Land bis heute andauert.
Die Einigung der Verhandlungsparteien zu Übergangsjustiz wirft nicht zuletzt deshalb viele Fragen auf: Wie viel Gerechtigkeit kann den Opfern eines Konfliktes wirklich widerfahren, wenn zahlreiche Menschenrechtsver-letzungen nicht gerichtlich aufgeklärt werden? Können Wahrheitskommissionen oder andere außergerichtliche Instrumente der Wahrheitsfindung juristische Aufklärung und Strafverfolgung wirksam ersetzen und langfristig als Garanten für Frieden wirken? Ist es vertretbar, staatliche Sicherheitskräfte in einem Übergangsjustizprozess wie alle übrigen Konfliktparteien zu behandeln, möglicherweise gar zu bevorzugen? Und welche Mindestanforderungen muss ein Staat eigentlich bei der gerichtlichen Strafverfolgung in einem solchen Prozess erfüllen, um nicht seine internationalen Menschenrechtsverpflichtungen als Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofes und Unterzeichner aller neun Kernverträge des UN-Menschenrechtssystems zu brüskieren?
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