BDA Filmforum
Reichlich Weiblich: Die Architektinnen Eileen Gray & Anna Lülja Praun
Einführung von Helmut Weihsmann (Wien)
„Es gibt Frauen, die Heldinnen sind, von denen man aber nie etwas erfahren würde, wenn es nicht Frauen gäbe, die ungehörige Fragen stellen.“ (Lina Loos)
Aus der europäischen Architekturgeschichte sind – selbst im internationalen Kontext – nur wenige Namen von Frauen allgemein bekannt und geläufig. Während heute zahlreiche Architektinnen, Gestalterinnen und Baukünstlerin auf vielen Bereichen ihres Berufes erfolgreich sind, waren nur wenige Frauen als namhafte Baukünstlerinnen bis zur jüngsten Vergangenheit tätig gewesen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg traten Frauen verstärkt als professionelle Gestalterinnen in den Vordergrund. Diese jungen und progressiven Damen der liberalen und gebildeten Bürgerschicht betätigten sich ebenso selbstbewusst wie ihre männliche Kollegen und Kontrahenten in den unterschiedlichsten Sparten der Modernen Architektur und des Möbeldesigns. Diese „Neuen Frauen“, die ab den 1920er Jahren in immer größer werdenden Zahlen an den Technischen Hochschulen, Kunstakademien und am Bauhaus oder Design an der Wiener Angewandten unter bedeutende Lehrmeister der Moderne studieren konnten, wollten das moderne und funktionale Leben gestalten und mitbestimmen. Sie wollten das Bauen und Wohnen befreien von den Zwängen der Tradition und in Einklang mit der neuen Zeit und den Vorstellungen von einem „Neuen Menschen“.
Überhaupt war die Zwischenkriegszeit in West-, Ost- und Mitteleuropa die Zeit der großen Aufbruchstimmung in Sachen radikaler Ideen und Gestalterinnen in der Architektur.Dazu zählen zum Beispiel Eileen Gray oder Charlotte Perriand, die beide im chicen Pariser Milieu der 1920er Jahre tätig waren oder die Berlinerin Lilly Reich, die im Umfeld ihres Lebensgefährten Mies van der Rohe hervorragende Einrichtungen und Möbelentwürfe schuf. In ihren unkonventionellen und radikalen Entwürfen suchten gerade diese Vertreterinnen der kompromisslosen Avantgarde nach funktionalen und einfachen Lösungen, die ihnen – im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen –aus der empirischen Kenntnis und empirische Erfahrungen der Hausfrau der täglichen Arbeits- und Produktionsabläufe in Wohnung und Hauswirtschaft ein innerliches Anliegen waren. Man denke hierbei an die begabte Bauhäuslerin und die in Auschwitz ermordete Friedl Dicker und die vielenjüdischen Designerinnen aus Deutschland und Österreich, die aus rassischen Gründen emigrieren mussten oder an die Kommunistin Margarete Schütte-Lihotzky, von der allerdings immer nur die Einbauküche heute weithin bekannt geworden ist, die ganz zu Beginn ihrer großartigen Karriere sowohl im sozialdemokratischen Roten Wien als auch im Stadtbauamt von Frankfurt am Main wegweisende Wohnungseinrichtungen, Küchen, Kindergärten und Siedlungshäusern bauen konnte.Erinnert sei noch an die oftmals vergessene Ehefrauen und Büromitarbeiter von Hans Poelzig (Marlene Moeschke) oder Mart Stam (Lotte Stamm-Beese) oder Oswald Haerdtl (Carmela Haerdtl-Prati) und an Anna LüljaPraun, die in Wien mit eigenem Atelier bis ins hohe Alter vorwiegend Einrichtungsgegenstände und Möbeln entwarf.
Das Filmprogramm zeigt zwei Filmporträts im Vergleich und stellt den Versuch dar, sowohl die Unterschiede als auch deren unterschiedlichen Auffassungen und Lebensstile der Zwischenkriegszeit in einem ersten Überblick zu zeigen
• Magie der Klarheit – Aus dem Leben der Architektin Anna-Lülja Praun
Österreich 2005, Regie: Walter Wehmeyer, Dokumentarfilm, 44 Min.
Die aus St. Petersburg stammende Architektin und Künstlerin Anna LüljaPraun (1906-2004) entwickelte einen unverwechselbaren Stil in der Kreation von Möbeln, entwarf überwiegend Einzelstücke für andere Künstler, wie u.a. für György Ligeti und Herbert von Karajan.
• Eileen Gray – Einladung zur Reise
Deutschland 2006, Regie: Jörg Bundschuh, Dokumentarfilm, 60 Min.
Eileen Gray (1878-1976) ist eine Ikone der Moderne und eine der faszinierendsten Frauen des 20. Jahrhunderts. Der Dokumentarfilm zeichnet ein subtiles Portrait dieser außergewöhnlichen Designern und anglo-francophile Architektin, die ihrer Zeit immer weit voraus war und noch heute – drei Jahrzehnte nach ihrem Tod – als Inbegriff der Moderne gilt.
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