Vortrag und Diskussion
„Meiner Tochter würde ich im Zweifel raten, nicht zur Polizei zu gehen. Für die Frau ist das eine Tortur. Sie wird durch die Mangel gedreht.“ Die Worte des ehemaligen Berliner Generalstaatsanwalts Karge, die er in einer Talkshow, die das Vorgehen der deutschen Strafverfolgungsbehörden bei Sexualdelikten thematisierte, aussprach, wurden oft zitiert, als 2010/11 in den deutschen Medien der Kachelmann-Prozess behandelt wurde. Immer wieder wurde und wird darauf verwiesen, wie schwierig die Beweisführung bei sogenannten Beziehungstaten sei, dass doch letztendlich ,Aussage gegen Aussage’ steht und ,im Zweifel für den Angeklagten’ entschieden werden müsse.
Die Medien präsentieren uns häufig Prozesse, die mit Freisprüchen enden, während kaum über solche mit Verurteilungen berichtet wird, die es auch gibt. Das Fazit der Berichterstattung ist häufig: die deutschen Strafgesetze und die Gerichte sind kein geeignetes Mittel, der häuslichen Gewalt und sexualisierten Gewalt gegen Frauen und Mädchen etwas entgegenzusetzen.
Für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen ist der mediale Umgang mit dem Thema der Strafverfolgung von sexualisierter Gewalt oft entmutigend und zugleich beängstigend. Und er ist mit ein Grund für die verheerend niedrige Anzeigenrate bei Sexualdelikten, die eine extrem niedrige Verurteilungsrate nach sich zieht. So bleibt die Gewalt gegen Frauen in Deutschland in den allermeisten Fällen ungestraft und tabuisiert. Und auch wenn der Täter verurteilt wird, hat das für die Betroffenen häufig keine entscheidende Verbesserung zur Folge. Denn die unerfüllten Erwartungen aus dem Umfeld der Opferzeuginnen an die Justiz, ,Gerechtigkeit’ herzustellen, erschweren ihre Situation zusätzlich.
Die Erfahrung zeigt aber, dass eine bewusste und gut vorbereitete Anzeige und Beteiligung am Prozess bei der Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse unterstützen kann. Deshalb ist es wichtig, dass Frauen und Mädchen, die Gewalt erlebt haben und strafrechtliche Schritte erwägen, möglichst noch vor dem Einreichen einer Strafanzeige umfassend informiert werden und dass sie durch den gesamten Prozess qualifizierte Beratung und Unterstützung erfahren.
In dieser Abendveranstaltung werden sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen eines Strafverfahrens in Bezug auf den persönlichen Nutzen für Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, veranschaulicht. Im Fokus stehen Grundsätze des Strafverfahrens, die Rechte und Pflichten als Geschädigte und wie sie ihre Interessen im Strafprozess einbringen können.
Im Anschluss an den interaktiven Vortrag haben die Teilnehmerinnen die Möglichkeit zu diskutieren und Fragen zu stellen.
Eingeladen sind interessierte Frauen mit und ohne Gewalterfahrungen sowie Mitarbeiterinnen aus Frauenberatungsstellen, Mädchenprojekten, Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen.
Referentin: Antje Prinz
Antje Prinz ist ausgebildete Psychosoziale Prozessbegleiterin. Sie berät und begleitet Frauen, Mädchen und Jungen auf ihrem individuellen Weg durch ein Strafverfahren.
Außerdem ist sie Mitglied im Arbeitskreis Frauenpolitische Bildung des Bildungswerks Berlin der Heinrich Böll Stiftung e.V..
Die Veranstaltung ist kostenfrei. Sie ist ausschließlich für Frauen.
Eine Anmeldung per E-Mail ist erforderlich: guth@bildungswerk-boell.de
Die Veranstaltung wird realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.
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