Debatten zur internationalen Politik
Ein Jour Fixe der Heinrich-Böll-Stiftung und der tageszeitung
Die Massenproteste in Tunis und Kairo haben die diktatorischen Regime beider Länder hinweggefegt. Die friedliche Demokratiebewegung hat damit eine politische Wende herbei geführt, die eine große Ausstrahlung auf die gesamte Region hat. Die Tunesier haben ein Fenster geöffnet, die Ägypter haben die Haustür weit aufgestoßen, die Menschen in der Region drängen nach. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich der Protest gegen die autokratischen und korrupten Regime in Algerien, Marokko, Libyen, Yemen, Bahrain und Jordanien.
Die Widersprüche und Konflikte, an denen sich die Revolten in den arabischen Gesellschaften entzünden, haben unterschiedliche lokale Ursachen. Grundlegend ist allerdings die Weigerung der autoritären Regime, ihren Bürgerinnen und Bürgern politische Rechte und Freiheiten zu gewähren, verkrustete Herrschaftsstrukturen aufzulösen, Nepotismus zu bekämpfen und soziale und wirtschaftliche Zukunftschancen vor allem der jungen Generation zu eröffnen.
Präsident Hosni Mubarak ist zurückgetreten. Was seine Stelle übernimmt, ist noch völlig ungewiss. Die Macht in Ägypten liegt in den Händen des Militärs. Das hat zwar einerseits das Parlament aufgelöst, die geltende Verfassung ausgesetzt und sechs Artikel zur Überarbeitung an ein Gremium von Rechtswissenschaftlern überantwortet. Anderseits weigert es sich, Kernforderungen der Demokratiebewegung nachzukommen – darunter die Auflösung des Informationsministeriums, die Ablösung führender Redakteure der Staatsmedien sowie die Umstrukturierung des Innenministeriums und damit der Geheimpolizei und Geheimdienste. Zur Forderung nach der Freilassung von politischen Gefangenen haben sich die Militärs bislang ebenfalls nicht geäußert.
Der seit 30 Jahren währende Ausnahmezustand soll in Kürze aufgehoben werden, neue Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sollen spätestens in einem halben Jahr stattfinden. Eine relativ kurze Zeit für die politische Opposition, vor allem aber auch für die Bewegung der überwiegend jungen Akteure, sich zu organisieren.
Eine Woche nach dem Rücktritt von Hosni Mubarak versammelten sich erneut rund eine Million Ägypterinnen und Ägypter zum „Tag des Sieges“ auf dem Tahrir Platz. Neben der Freude über ihren Sieg verleihen sie damit aber vor allen Dingen ihren Forderungen nach politischen Freiheiten, demokratischer Teilhabe, verbesserten Zukunftschancen und sozialen sowie wirtschaftlichen Rechten Nachdruck.
Mit:
Kerstin Müller, MdB, Außenpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen
Isabelle Werenfels, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin
Stephan Roll, Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin
Magdi Gawhary, Nahostexperte und Autor, Faro/Kairo
May Elmahdi, Politologin, Freie Universität Berlin
Moderation:
Beate Seel, die tageszeitung (taz), Berlin
Livestream:
http://boell.de/stream
Veranstaltung eingepflegt mit dem Importer FbEventsImporter object (13) von Julia Brenner | 6 Jahre, 12 Monate her |